Schule der Zukunft? Ergebnisse der Schulleitungsstudie
Die Schulleitungsstudie 2021/2022 des FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag des Cornelsen Verlag macht es deutlich: „Auf dem Weg zur Schule der Zukunft kommen wir nicht an strukturellen Veränderungen vorbei“. Schule als Konzept der bloßen Lernstätte zu denken wird den zukünftigen Ansprüchen an Schüler:innen nicht gerecht. Darüber sind sich die in der Schulleitungsstudie befragten Schulleitungen einig. Insbesondere die Vermittlung von im alltäglichen Leben wichtigen Kompetenzen und der angemessene Umgang mit digitalen Ressourcen fehlt den Teilnehmenden der Studie zu einem zukunftsorientierten Schulleben.
Wie kann ein zukunftsorientiertes Schulsystem aussehen, das Chancengleichheit für Bildung ins Zentrum rückt und welche Veränderungen müssen eintreten, damit Schüler:innen in der Schule nicht nur einen hohen Lernerfolg erzielen, sondern auch eine nachhaltige persönliche Entwicklung erleben?
Die Schulleistungsstudie 2021/22
Die Cornelsen Schulleitungsstudie wurde 2021/22 erstmals durchgeführt. Im Zeitraum von Juni bis Oktober 2021 wurden vom FiBS 1116 Schulleiter und Schulleiterinnen unterschiedlicher Schulformen aus ganz Deutschland befragt. Zusätzlich wurden 50 Einzelinterviews mit Schulleiter:innen durchgeführt, in denen diese ihre Erwartungen an die Schule der Zukunft schilderten.
Dabei wurde deutlich, dass die Schulleitungen aufgrund mangelnder Ressourcen nicht die Schulentwicklungsarbeit leisten können, die aktuell nötig ist. Zu viele kleinteilige Aufgabenbereiche sind zu bewältigen, administrative Arbeitsabläufe nehmen einen Großteil der Arbeitszeit ein: 54 % der Befragten der Schulleitungsstudie verbringen damit mehr als 10 Stunden pro Woche.
Schulleitungsstudie: Was muss Schule heute leisten?
Die Schulleitungsstudie zeigt, dass die Schule nicht nur Bildungsstätte sein, sondern auch die Chancengleichheit aller Schüler:innen ermöglichen muss. 97 % der in der Schulleitungsstudie befragten Schulleitungen sehen den Ausbau der Chancengleichheit als eine zentrale Aufgabe an. Um die Bildungsungleichheit zu mindern, seien individuelle Förderangebote das Mittel der Wahl.
93 % der in der Schulleitungsstudie befragten Schulleitungen sind außerdem der Meinung, dass im Unterricht mehr „Lebenskompetenzen“ vermittelt werden sollten. Um Schüler:innen besser auf das Leben nach der Schule vorzubereiten, müsse neben der Lehre fachlicher Inhalte insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung und das Erlernen sogenannter „Life Skills“ im Mittelpunkt stehen. Life Skills sind zum Beispiel effektive Kommunikation, Beziehungsfähigkeit, der gesunde Umgang mit schwierigen Emotionen wie Angst und Stress, Teamfähigkeit, aber auch die Entwicklung eines positiven Selbstbildes.
Daneben belegen die Ergebnisse der Schulleitungsstudie, dass Themen wie „Digitale Bildung und Mündigkeit“ für 92 %, „Gesundheit und Ernährung“ für 90 % und Wissen rund um Demokratie und nachhaltige Entwicklung für 88 % von großer Bedeutung sind. Schule darf heute nicht mehr nur eine Institution zum Erlernen von grundlegenden fächerspezifischen Fähigkeiten sein. Zunehmende Komplexität und Vernetzung erfordern das Lernen übergreifender und integrierter Kompetenzen, welche für die erfolgreiche persönliche und berufliche Entwicklung essenziell sind.
Befragte der Schulleitungsstudie fordern einen Kulturwandel im Lernen
Eine grundlegende Umstrukturierung des Schulsystems ist für viele Befragte der Schulleitungsstudie die einzige Möglichkeit, den gestiegenen Anforderungen an Schulbildung gerecht zu werden. Selbst der althergebrachte Fächerkanon ist für 82 % nicht mehr zeitgemäß: Er soll grundlegend überarbeitet werden. Die Schulleitungsstudie zeigt dabei eine klare Tendenz zur stärkeren inhaltlichen und fächerübergreifenden Arbeitsweise auf. Projektorientiertes Arbeiten steht dabei für über die Hälfte der Befragten zur Debatte, während sich knapp ein Fünftel für das interessengeleitete Lernen ausspricht. Diese Ergebnisse der Schulleitungsstudie verdeutlichen, dass die Individualität beim Lernen verstärkt in den Fokus des Schulsystems rücken muss. Zukunftsorientiertes, individuelles Lernen und Lehren sieht ein Großteil der Befragten im Modell der gebundenen Ganztagsschule am besten umgesetzt. In gebundener Form ermöglicht die Ganztagsschule den Schülern und Schülerinnen, ihre Interessen über einen längeren Zeitraum in Gemeinschaft zu verfolgen. „Gebundene“ Ganztagsschule bedeutet, dass alle Schüler:innen an mindestens drei Tagen in der Woche bis zum Nachmittag in der Schule lernen. Verschiedene Angebote ergänzen den konventionellen Schulunterricht. Schüler:innen werde so eine Entfaltung ermöglicht, die von reiner Leistung losgelöst ist, glauben 89 % der Befragten. Gleichzeitig sehen 82 % den gebundenen Ganztag als ausgleichenden Faktor für Bildungschancen.
Schulleitungsstudie: Digitalität im Schulalltag
In der Schulleitungsstudie wird außerdem deutlich: Die größte aktuelle Herausforderung sehen die befragten Schulleiter:innen in der Digitalisierung. Für 58 % bedeutet das die Digitalität des Unterrichts, für sogar 67 % den Ausbau der digitalen Ausstattung an Schulen. Digitale Lehrinhalte und -methoden sollen dazu eigesetzt werden, den Lernerfolg zu steigern. Für 97 % der Befragten steht außerdem fest, dass Schüler:innen den verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien in der Schule lernen sollen. Dabei geht die Nutzung digitaler Medien über Social Media & Co. hinaus: Digitalität in Form von Apps oder anderen Programmen kann individualisiertes Lernen unterstützen. Dieser Ansicht sind 87 % der Befragten der Schulleitungsstudie.
Für Entwicklungsarbeit in aktuellen Themen wie Digitalisierung bleibt für Schulleiter:innen im Alltag kaum Zeit. Knapp drei Viertel wünschen sich laut der Schulleitungsstudie mehr Zeit für die Ausgestaltung neuer Entwicklungsansätze, von denen sowohl Lehrende als auch Lernende profitieren. Ein Aufschub dieser Themen wird sich in Zukunft noch stärker als zum jetzigen Zeitpunkt bemerkbar machen und die Schulentwicklung stark beeinträchtigen. Für die Entfaltung der Schüler:innen bedeutet das eine enorme Benachteiligung im internationalen Vergleich. Aber wie kann die Schule der Zukunft aussehen? Darauf haben die Befragten der Schulleitungsstudie eine Antwort.
Schule der Zukunft: Antworten der Schulleitungsstudie
Das Thema der außerschulischen Erziehung greift stark in den Schulalltag ein und fordert Schulpersonal und Lehrkräfte auf, mehr als nur Wissensvermittler:innen zu sein. „Schule muss immer häufiger auffangen, was an erzieherischer Arbeit zu Hause nicht mehr geleistet werden kann“, zu diesem Ergebnis kommt die Schulleitungsstudie. Für die Weiterentwicklung der Schule zu einem Ort der Chancengleichheit und persönlichen Entwicklung seien laut zwei Drittel der Befragten eine neue Zusammensetzung der Betreuung unabdingbar. Probleme wie Lernschwierigkeiten, Herausforderungen im familiären Umfeld, Gewalt, Depression und Leistungsdruck prägen den Schulalltag zusehends und müssen auf entsprechende Weise angegangen werden. Um Defizite in der Erziehungsarbeit zu kompensieren, müssten an Schulen multiprofessionelle Teams, z.B. aus der Sozialpädagogik, eingesetzt werden. Diese sollen für die Schüler:innen individuell angepasste Unterstützungsmöglichkeiten anbieten, so die Schulleitungsstudie.
Das Schulmodell muss neu gedacht werden und verlangt neue Ansatzpunkte, das zeigt die Schulleitungsstudie von Cornelsen deutlich. Um qualitativen Unterricht und eine gezielte Förderung der persönlichen Entwicklung gewährleisten zu können, bedarf es mehr als der Institution Schule, wie wir sie kennen. Jedoch zeigt die Schulleitungsstudie ebenso: Schulleiter:innen haben ein ausgeprägtes Interesse daran, die Schule zu einem Ort für Chancengleichheit und Charakterbildung zu machen. Sie wissen, welche Wege geebnet werden müssen, um Schulentwicklung und die Sicherung des Lernerfolgs der Schüler:innen in den Mittelpunkt zu stellen.
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